„Unsere Städte befinden sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess, in dem ihre sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und gestalterischen Qualitäten in eine neue Balance zu bringen sind. Wir alle spüren, dass sich unser Zusammenleben, unsere Art zu kommunizieren, unsere Erwartungen an die gebaute Umwelt und ihre Nachhaltigkeit fundamental verändern. Daher müssen wir Räume in Städten, Stadtzentren, Quartieren, aber auch in Dörfern und ländlichen Regionen neu verhandeln, um sie den veränderten Erwartungshaltungen anzupassen.“ (Baukultur NRW)
Alle Rahmenbedingungen für den Umgang mit unserer gebauten Umwelt verändern sich rasant. Ereignisse, die aktuell und zukünftig die Stadtentwicklung und deren nachhaltigen Abwendungsmaßnahmen bestimmen, sind die Corona Pandemie, der Klimawandel, die fortschreitende Digitalisierung des Handels und der Arbeitsstrukturen, das steigende Sanierungs- und Umbauerfordernis der Infrastruktur (Brücken, Straßen, Schulen, ÖPNV, Deiche u.a.), der Wohnungsnot, der verstärkte Energieumbau sowie die wirtschaftlichen und energetischen Folgen des aktuellen Ukraine Kriegs. Es handelt sich zukünftig nicht nur mehr nur um die bisherige deduktive Stadtentwicklung der nachhaltigen Weiterentwicklung der Städte (Herleitung des Handelns von Zielen und Grundsätzen, Ableitung von Maßnahmenprogramme) sondern auch um eine induktive, die ausgehend von Ereignissen (z.B. Klimawandel, Wohnungsnot, Digitalisierung des Handels) als Reaktion direkte Handlungsnotwendigkeiten und Abwehrmaßnahmen erfordert.
Situation in Düsseldorf
Der Einfluss des Klimawandels zeigte sich in Düsseldorf bereits mit dem Sturm „Ela“, der im Stadtgebiet 30.000 Bäume, insbesondere im Hofgarten, zerstörte. Einige Jahre später erfolgten die Hitzesommer 2020 und 2022 mit großer Trockenheit. Dauerregen führte im Jahr 2021 in Vennhausen zu Überschwemmungen, die Gebäude und deren Bewohner erheblich belasteten. Die Coronazeit beeinflusste das Zusammenleben der Menschen, für ihre Bewältigung musste die Stadt Düsseldorf nach Presseberichten etwa 1 Mrd. Euro aufbringen. Das in der Coronazeit zur Kontaktverringerung aufkommende home-office verselbständigte sich, weil es den Bürobetrieben ermöglicht, die Bürostrukturen zu verändern und teure Büroflächen einzusparen und damit freizusetzen. Darauf reagierte frühzeitig die Trinkaus-Bank mit hohem Stand an home-office Beschäftigten und verließ ihren bisherigen Standort an der Königsallee. Die Bank setzte sich kleiner an einem dezentralen Standtort im Linksrheinischen. Projekte wie das Hochhaus „Gateway“ am Kennedydamm, wurden aufgeben. Unverhältmäßig steigende Baukosten und Bauzinsen, unsichere Lieferketten und die Büromarktlage mit nachlassender Nachfrage, die auch von den Flächenfreisetzungen der home-office Betriebe bestimmt wird, führten zur Projektaufgabe. Manche Projekte verringern ihren Büroanteil zu Gunsten von Wohnungen. Aktuell setzt vodafone 20 % seiner Flächen frei. Eine Bauwende zeichnet sich im Baugeschehen in Richtung der Verwendung von nachhaltigen Baustoffen ab. So hat der im Düsseldorfer Medienhafen Mitte des Jahres 2023 fertiggestellte Holz-Hybridbau „The Cradle“ eine große Bedeutung in der Diskussion um zukünftiges nachhaltiges Bauen erhalten. Die großen Architektenverbände haben ihre Grundsätze für ein nachhaltiges Bauen aufgestellt und empfehlen bei Neubauten mehr vorhandene Bausubstanz zu erhalten und in das Bauprojekt einzubeziehen. „Für das Vorhandene aktiv Sorge zu tragen, das Bestehende mit Ideen für ein zukunftsfähiges Zusammenleben weiterzuentwickeln, ist Kern der neuen nachhaltigen Strategie in der Architektur… Dem Erhalt des Bestehenden kommt Priorität zu“ (BDA).
Folgen für Düsseldorf
Die bisherige Stadtentwicklungsplanung geht bisher von einem ungebrochenen Wachstum der Düsseldorfer Bevölkerung und der Arbeitsplätze aus. Seit drei Jahren wächst jedoch die Bevölkerung nicht mehr, die Bautätigkeit an Wohnungen und Büros ist rückläufig oder stagniert auch wegen der ständig steigenden Verteuerung des Bauens. Pandemie und Klimaanforderungen sowie Digitalisierung des Handels prägen zunehmend die Stadtentwicklung. Als Folge des Klimawandels wirken sich Starkregenereignisse, Trockenheit und Hitzeperioden auf das Leben in der Stadt aus und erfordern ein Gegensteuern, um die Widerständigkeit gegen die Klimafolgen zu stärken. Die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine Kriegs sind infolge der internationalen Wirtschaftskrise Einnahmeausfälle der Stadt durch rückläufige Wirtschaftstätigkeit, durch nachlassende Aktivitäten der Messe und des Flughafens und treiben die Verschuldung in die Höhe. Das durch die Pandemie verstärkte home-office setzt sich als neue Arbeitsform fest und spart Kosten durch Freisetzung von Büroflächen mit der Folge, dass eine große Zahl der geplanten Bürogebäude nicht gebaut werden. Die Folgen des Klimawandels sind für die Städte Hitze- und Trockenheitsereignisse, Starkregen mit Überschwemmungen, Sturm- und Orkanereignisse, Hochwassergefahren. Die Folgen der Digitalisierung sind Strukturwandel des Handels durch die Verlagerung des stationären Handels in den Innenstädten auf digitale Handelsformen (Amazon). Das hat zunehmenden Leerstand und damit Bedeutungsverlust. sowie eine schleichende Verödung der Innenstadt zur Folge. Es entsteht zunehmend kostenträchtiger Erneuerungsbedarf der in die Jahre gekommenen städtischen Infrastruktur: Schulen, Verkehrswende zur Dekarbonisierung mit Neuaufteilung der Verkehrsflächen (Radfahrer) und Umbau des ÖPNV, Brücken, hier aktuell die Theodor-Heuss-Brücke, Deichausbau zur Abwendung von höchsten Hochwassern (Himmelgeist), u.a. Die steigende Wohnungsnot erfordert nach dem Scheitern des Investorenstädtebaus (Vorgänge um die Investorenverkäufe z.B. Adler) mehr städtische Investitionen für Grundstückskäufe und Subventionen zur Herstellung preiswerten Wohnens.
<Dr. Hagen Fischer 3/23>