Am Donnerstag 26. Oktober 2023 fand im Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90 in Düsseldorf das fünfte “dib-Gesprächsforum” statt unter dem Thema „Ist das vorgestellte städtisches Konzeptpapier ’Wohnungsbauoffensive Düsseldorf‘ geeignet, durch Aktivierung von Bauflächen 8000 bezahlbare Wohnungen bis 2030 zu bauen? Und mit welchen Maßnahmen ist das Ziel zu erreichen?” Als Ergebnis wurde von Vereinsmitgliedern der beigefügte Text als dib-Stellungnahme erarbeitet.

Neue Oper und städtische Wohnungsbauoffensive
Neue Oper und Schaffung von bezahlbarem Wohnraum

 1.  Hauptziele der Düsseldorfer Stadtentwicklung

Wagen und Bild Jaques Tilly

Am 15. Juni 2023 entschied sich der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP für einen Neubau des Opernhauses am Standort Heinrich-Heine-Allee. Nachdem die Ratsfraktion der Grünen ihre Zustimmung für den Neubau verweigert hatte, reklamierte die SPD-Fraktion vom OB Keller für ihre Zustimmung zu dem Opernprojekt die Zusicherung, bis zum Jahr 2030 8.000 bezahlbare Wohnungen zu schaffen.
Der beschlossene Neubau der Oper mit dem Totalabriss des gesamten Gebäudes wird voraussichtlich etwa eine Milliarde Euro sowie etwa 100 Millionen Euro für einen Interimsbau kosten. Die Schaffung von neuem bezahlbarem Wohnraum wird bei steigenden Baukosten ebenfalls enorme Summen verschlingen, die bisher weder kalkuliert noch im Haushalt der Stadt eingeplant sind. Vor dem Hintergrund einer angespannten Haushaltslage (prognostiziertes Jahresergebnis für das Haushaltsjahr 2023 in Höhe von minus 116,6 Millionen Euro laut Pressedienst vom 28. 09.2023) erscheint eine Finanzierung beider Projekte zusammen kaum leistbar.

 2. Position von dib

Auch wir von dib sehen die Dringlichkeit der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Düsseldorf. Durch die Mietpreisentwicklung ist es inzwischen für untere und mittlere Einkommen kaum noch möglich, bezahlbare Wohnungen zu finden. Zugleich steigen die Ausgaben des Staates für Wohngeld und Mietübernahmen von Bedürftigen stetig. Das führt zur Wohnsitzverlagerung in immer weitere Kreise des Umlandes, während aber die Arbeitsplätze weiterhin in der Stadt bleiben. Die Folge ist die ständige Zunahme des Pendlerverkehrs, der damit verbundenen Ärgernisse und insbesondere auch der CO2-Emissionen.
dib hat die hohe Investition für einen Neubau der Oper seit Anbeginn in Frage gestellt und sich für einen kostengünstigeren Neubau mit Erhalt und Integration denkmalwerter Teile der bestehenden Oper, wie Zuschauerraum, Foyers und Portal, auf dem Grundstück Heinrich-Heine-Allee eingesetzt, dies unter Berücksichtigung des bestehenden Denkmalschutzes (Gebäude, Altstadt, Königsallee, Heinrich-Heine-Allee, Hofgarten). Allerdings ist die Verbindung des Neubaus der Oper mit der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch den Ratsbeschluss sachlich nicht nachvollziehbar. Sie ist offensichtlich das Ergebnis eines teuren, parteipolitisch motivierten Koppelgeschäfts auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger.

3. Städtische Wohnungsbauoffensive

In der von OB Keller vorgestellten Wohnungsbauoffensive wurde allerdings das Ziel der Bezahlbarkeit relativiert: auf dem städtischen Flächenpotential für mindestens 4.000 Wohnungen soll bis 2030 60% öffentlich geförderter Wohnungsbau entstehen; für die restlichen 40% im frei finanzierten Wohnungsbau sollen unter Berücksichtigung von Lage und Quartier die Mieten gedeckelt werden. Dieser unzureichende Neubau an Sozialwohnungen reicht noch nicht einmal aus, um die aus der Belegungsbindung ausfallenden Wohnungen auszugleichen. Mit „privaten Partnern“ sollen weitere 4.000 Wohneinheiten realisiert werden; „Bezahlbarkeit“ findet für diesen Bereich allerdings keine Erwähnung.
Der bisherige „preisgedämpfte Wohnungsbau“ (Eingangsmiete 9,80 € indexiert mit max. 1,5% p.a.) wird in dem „Handlungskonzept Wohnungsbau“ (HWK) zunächst für 3 Jahre ausgesetzt und stattdessen für die zukünftige Flächenentwicklung und Bebauungsplanung in Düsseldorf eine Quote von 50% öffentlich geförderter und 50% frei finanzierter Wohnungsbau festgesetzt. Um die Wohnungsbauziele zu erreichen, sollen alle möglichen Flächenpotentiale der Stadt ermittelt und private Eigentümer gezielt angesprochen und motiviert werden.
Am 7. September 2023 hat der Rat einige Ergänzungen zur Wohnungsbauoffensive 2030 beschlossen: Es handelt sich um Bausteine, die geeignet sind, das Wohnungsproblem in Düsseldorf zu entschärfen, vorausgesetzt die notwendigen organisatorischen, finanziellen und personellen Voraussetzungen für eine effiziente Umsetzung werden geschaffen. Wichtig wäre dabei, dass die rechtlichen Möglichkeiten für eine soziale Bodenpolitik ausgeschöpft werden. Es geht dabei um Bodenbevorratung, Aktivierung von Bauflächen, Vorkaufsrechte zu Verkehrswerten zur Baulandmobilisierung. Und es geht auch um Schutzmaßnahmen für den Erhalt von günstigen Mietwohnungen im Bestand von Altbauquartieren.

4. Vorschläge von dib zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, zur Erhaltung des preisgünstigen Wohnungsbestandes und für eine nachhaltige Umbaukultur

Die Schaffung und Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum muss den sozialen und ökologischen Zielen der Stadtentwicklungsplanung folgen. Jegliche Neubaumaßnahmen müssen dem Ziel der Klimaneutralität der Stadt bis 2035 dienen, d. h. zur Reduzierung der CO2-Belastung beitragen.
Beim Neubau von Wohnungen hat der Sozialwohnungsbau Vorrang vor marktkonformen Vorhaben. Es muss dringend dafür Sorge getragen werden, dass bezahlbarer Wohnraum für alle Einkommensgruppen mit dem Schwerpunkt auf gemeinschaftsorientierten Wohnprojekten entsteht. Es sollen Quartiersidentität und gute Nachbarschaft gefördert und Ghettobildung verhindert werden. Wohnungstypen und Wohnformen sollen sich veränderten Anforderungen anpassen (Flexibilität, Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit): z.B. Gemeinschaftsprojekte, Clusterwohnungen u.a.m. Die Stadt muss vorrangig die geeigneten Grundstücke im Rahmen einer sozialen Bodenpolitik durch entsprechende Planungsmaßnahmen erschließen und möglichst gemeinnützigen Projektentwicklern zur Verfügung stellen.
In Bestandsquartieren sind Potenziale wie Baulücken und Dachausbau zu erschließen und zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu nutzen. Der preisgünstige Wohnungsbestand ist zugunsten von Bewohnern aus niedrigen Einkommensverhältnissen zu schützen und an den zeitgemäßen Wohnungsstandard anzupassen. Die Fehlbelegung von Wohnungen und der Leerstand muss laufend erfasst werden; und durch offensive Maßnahmen soll eine Nutzung zugunsten bedürftiger Mieter durchgesetzt werden.
Im Rahmen einer nachhaltigen Umbaukultur, d.h. bei Um- und Neunutzug im Baubestand, kann neuer Wohnraum geschaffen werden, der durch entsprechende Förderung des Reduzierens, Wiederverwendens und Wiederverwertens (reduce, reuse, recycle) anstatt Abriss und Neubau sinnvoll ist. Diese Maßnahmen dienen nicht nur der Versorgung mit sozialen Wohnungen, sondern auch der Reduktion des CO2-Ausstoßes und der Senkung des Rohstoffverbrauchs und damit der angepeilten Klimaneutralität der Stadt bis 2035.

5. Schlussfolgerung

Neubau der Oper und Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sind zwar keine direkt miteinander verknüpften Projekte der Stadt, aber ihre jeweilige parallele Realisierung und Finanzierung bedingen eine Abwägung von Priorität, sozialer Brauchbarkeit und Nutzungsgerechtigkeit. Eine teure, aufwendige neue Oper „für alle“ und eine zielgerechte Förderung des sozialen Wohnungsbaus für Menschen mit geringem Einkommen muss für Bürgerinnen und Bürger einsichtig sein und auch die Furcht vor Reduzierung in anderen Bereichen wie Bildung und Kultur beachten. Bevor dieser Prozess der Klärung und Gewinnung von Akzeptanz nicht abgeschlossen ist, kann die Festlegung auf eine neue Architektur (Wettbewerbsverfahren) und Interimslösung nicht hingenommen werden.

dib-Mitglieder und Vorstand