Investoren beauftragen häufig einen Star-Architekten, um Unmögliches möglich zu machen. Die Stadtpolitik erstarrt dann vor dem großen Architekten und übersieht dabei häufig, dass mit dessen Entwurf das Unmögliche nur verschönt aber nicht beseitigt wird. So geschehen jüngst mit dem Hochhausentwurf des Star-Architekten Calatrava, der dann allerdings von dem Hochhausbeirat gestoppt wurde. Ähnliches, was noch nicht gestoppt ist, vollzieht sich gerade am Heinrich-Heine-Platz mit dem Entwurf des Star-Architekten Chipperfield einer Tieferschließung des neuen KaDeWe Kaufhauses im Carschhaus.
Das 1915 von dem Architekten Otto Engler (1861-1940) im Stil der damaligen Kaufhausarchitektur gebaute Carschhaus wurde 1979 im Zusammenhang mit dem U-Bahnbau abgerissen und etwa 20 m versetzt mit den Originalfassaden wiederaufgebaut (Architekten HPP und RKW).

Carschhaus Eingang Heinrich-Heine-Platz heute

Das Carschhaus erhält nach der Kaufhof Galerie eine neue Nutzung als Filiale des „Kaufhaus des Westens KaDeWe“ mit dem neugestalteten Heinrich-Heine-Platz als Vorplatz. Man sollte eigentlich annehmen, dass der natürliche Kaufhaus Eingang, wie er sich in der Fassadengliederung des Carschhauses mit den zwei besonders betonten Eingängen (Heinrich-Heine-Platz, Flingerstraße) zeigt, ebenerdig in der allgemeinen Fußgängerlauflage liegt, wie sein großes Vorbild KaDeWe in der  Tauentzienstraße in Berlin.  Dem ist aber nicht so. Der neue Kaufhauseigentümer Signa des Investors Benko beabsichtigt, das Kaufhaus über einen tiefgelegten Hof, der vom Heinrich-Heine-Platz über eine große Treppe erschlossen wird, zu erreichen.

Carschhaus: Eingang Flingerstraße heute

Kein Zweifel besteht darüber, dass der in die Jahre gekom mene und abgenutzte und düster wirkende Heinrich-Heine-Platz erneuert werden sollte. Warum wird dabei das neue KaDeWe nicht ebenerdig über die zwei repräsentativen Eingänge des Carschhauses sondern als Haupteingang über einen Tiefhof erschlossen? Als Grund wird genannt, dass die größeren Verkaufsflächen in der unteren Ebene liegt und dass es daher besser sei, von dort die Erschließung vorzunehmen. Das verkennt, dass der Käufer erst umständlich, nicht Barriere frei, über eine Treppe in die Tiefe geführt wird, um das Kaufhaus zu betreten. In der Öffentlichkeit und auch bei Teilen der Stadtpolitik bestehen Bedenken, dass der Tiefhof ständig verschmutzt und nicht geruchsfrei (Urin) sein könnte. Dadurch entstehen erhebliche Reinigungs- und Überwachungsprobleme. In Leserbeiträgen (rp-online) spricht man schon von dem “Loch”. Es werden Analogien zu dem „Bonner Loch“ am Hauptbahnhof Bonn hergestellt, wo sich in einen tief gelegten Eingang zu einem Einkaufsbereich das Drogenmilieu ansammelte. Der Heinrich-Heine-Platz ist eine frei zugängliche öffentliche Fläche im Gebäudeensemble Wilhelm-Marx-Haus und Carschhaus. Die Herausnahme eines großen Teils des Platzes aus der Öffentlichkeit für den privaten tiefen Haupteingang des Kaufhauses durch Verkauf der Platzfläche an den Kaufhausinvestor durch die Stadt widerspricht jeglicher Definition eines öffentlichen Stadtplatzes. Das Loch zerstört die Platzwirkung! Mit den zu erhaltenen Bäumen und dem Pavillon würde der geplante 18m x 18m Tiefeingang mit seinen Sicherheitsgittern einen zu engen und unattraktiven Platz übrig lassen. Daran ändert auch nicht die Herausnahme der Verkehrsspange in die Kasernenstraße und gleichzeitige Einrichtung des Zweirichtungsverkehrs in der Breite Straße. Dieser erfordert eine völlige Neuordnung des Auto-, Fahrrad- und Fußgängerverkehrs bis hin zum Bilker Bahnhof. Siehe dazu auch den Beitrag „Verkehrswende jetzt“.

Fazit: dib empfiehlt dem Investor Benko, den zweitklassigen, nicht Barriere freien Tiefeingang zugunsten eines attraktiven Heinrich-Heine-Platzes aufzugeben und das geplante Kaufhaus KaDeWe über die der architektonischen Bedeutung des Carschhauses und dem Ruf des KaDeWe entsprechenden attraktiven ebenerdigen Eingänge zu erschließen. Der Heinrich-Heine-Platz sollte entsprechend der Bedeutung des Ensembles Wilhelm-Marx-Haus und Carschhaus attraktiv mit Einbindung des Denkmalschutzes gestaltet und damit auch der Bedeutung des geplanten Kaufhauses gerecht werden. 

<Dr. Hagen Fischer (HF) 12/2020, Bilder HF, Upgrade Nachtrag 7/21>

Nachtrag:
Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Heinrich-Heine-Platzes wurde im Rahmen einer dib-Mitgliederdiskussion die Meinung vertreten, dass der Heine Pavillon an einen anderen Standort verlegt werden sollte, zumal die grosse Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Loch mit dem Tiefeingang des neuen KaDeWe bestehen bleibt und dadurch kein Platz mehr für den Pavillon besteht, aber auch aus Gründen, dass der Pavillon nicht in das Architekturensemble Wilhelm-Marx-Haus und Carschhaus passt. Ein Teil befürwortete die Ersetzung des Musikpavillons im Hofgarten durch den Heine-Pavillon, ein weiterer Teil lehnte jedoch diesen Vorschlag ab und setzte sich für die Einlagerung im Bauhof ein, bis ein geeigneter Standort gefunden werden kann.